Lumbaler Bandscheibenvorfall! Was nun?

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Fast jeder kennt das Gefühl des einschießenden stechenden Schmerzes in der Lendenwirbelsäule. Plötzlich aus der Aktivität gerissen, steht man verbogen da und kann sich nicht mehr rühren, der Tag wird zur Qual. Jegliche Trainingspläne sind Makulatur. Zum Glück heilen 85 Prozent dieser Vorfälle spontan und unkompliziert innerhalb kurzer Zeit aus, ohne dass die Ursache ergründbar gewesen ist. Die einschlägig bekannten Hausmittel helfen über diese Phase hinweg, und  das Lauftraining kann nach kurzer Zeit wieder normal aufgenommen werden. Bleiben die Rückenschmerzen jedoch länger bestehen, ist ein Gang zum Arzt unabdingbar.

Region mit intensivem Stoffwechsel

Die Ursache für länger anhaltende und wiederkehrende Schmerzen sind meist Veränderungen der Zwischenwirbelabschnitte. Medizinische Untersuchungen zeigen einen intensiven Stoffwechsel in dieser Region, der durch zahlreiche mechanische sowie biomechanische Faktoren von außen beeinflusst werden kann. Betrachtet man den Aufbau eines Bandscheibenfachs, so sind die Bandscheibengrenzen für Flüssigkeiten und gelöste Stoffe durchlässig. Die Bandscheibe  besteht aus einem von einem faserigen Scheibenring umschlossenen gallertartigen Bandscheibeninnenraum.

Der Dämpfungsmechanismus

Dieser Gallertkern zeigt eine sehr starke Wasseranziehungs- und Bindungskraft. Hierdurch wird ein großer Druck innerhalb der Bandscheibe aufgebaut, welcher wie ein Dämpfer den äußeren hohen Druckbelastungen und Stößen entgegenwirkt. Durch die wechselnden Druckbelastungen mit der Kompression der Wirbelsäule und dem Innendruck der Bandscheibe entsteht ein Pumpmechanismus. Eine starke Belastung mit Kompression wie Sitzen, Heben oder Tragen bedeutet eine beschleunigte Flüssigkeitsabgabe. Die Entlastung mit Zug, beispielsweise bei einer Dehnung, resultiert in einer beschleunigten Flüssigkeitsaufnahme.

Ein empfindliches Gleichgewicht

Darüber hinaus gibt es eine Reihe weiterer Faktoren wie Stoffwechsel- oder Systemerkrankungen, die in grundlegende Prozesse des Körpers eingreifen und den Stoffwechsel der Bandscheibenfächer beeinflussen. Störungen dieses  empfindlichen Gleichgewichts führen entweder zu akut auftretenden Erkrankungen, wie zum Beispiel dem Bandscheibenvorfall mit Einreißen des Bandscheibenrings und Herauspressen des Gallertkerns, oder zu einschleichenden Beschwerden aufgrund von Verschleiß, wie der Arthrose der Wirbelgelenke. Dazwischen gibt es Mischbilder jeder Ausprägung.

Mindestens einmal im Leben

Betrachtet man die vorhandenen Statistiken, so zeigt sich, dass rund 40 Prozent der Bevölkerung westlicher Industrienationen mindestens einmal im Leben anhaltende Rückenschmerzen angeben. Während ein lumbaler Bandscheibenvorfall nur in circa 5 Prozent dafür verantwortlich ist, stellt er die mit Abstand häufigste Ursache für Schmerzausstrahlungen mit Nervenkompression dar. Das Krankheitsbild tritt meist im mittleren Lebensalter (46 bis 55 Jahre) vor allem innerhalb der männlichen Bevölkerung auf. Am häufigsten sind die untersten Segmente L4/5 und L5/S1 betroffen.

In Deutschlandwerden jährlich rund 160.000 Bandscheiben operiert. Aktuelle Studien zeigen allerdings, dass etwa neunzig Prozent dieser Eingriffe nicht nötig sind.
(Quelle: https://operation-wirbelsaeule.de, 05.08.2015)

Achtung Notfall

Das Beschwerdebild eines Bandscheibenvorfalls wird von der Lokalisation und der Ausdehnung bestimmt. Typische Symptome sind neben dem Rückenschmerz der akut auftretende, in das Bein ausstrahlende stechende oder brennende Schmerz mit Missempfindungen oder Kribbeln. Beim Husten, Niesen oder Pressen kommt es meist zu einer Schmerzverstärkung. Je nach Ausprägung der Kompression der Nervenwurzel kann es zu anhaltenden Taubheitsgefühlen und  Lähmungserscheinungen kommen. In bestimmten Fällen treten Störungen der Blasen- und Darmfunktion sowie Sexualfunktion auf. In diesen Fällen liegen absolute Notfälle vor!

Die notwendigen Therapien

In Abhängigkeit vom klinischen Beschwerdebild und den Ergebnissen der durchgeführten bildgebenden Untersuchungen wird der Orthopäde oder Neurochirurg eine notwendige Therapie festlegen. Erfreulicherweise kann der überwiegende Anteil an Patienten konservativ, also ohne die Notwendigkeit einer Operation behandelt werden, um das geschädigte Bandscheibensegment vor erneuten Überbelastungen zu schützen. Hier bietet sich ein breites Feld an therapeutischen  Möglichkeiten mit überzeugenden Ergebnissen an. Zahleiche aktive Patienten erkundigen sich bereits bei den ersten Anzeichen einer Besserung ungeduldig danach, wann sie ihr Lauftraining wieder aufnehmen können.

Bewegung erwünscht

Nach einem Bandscheibenvorfall sollte man sich keinesfalls vor körperlicher Betätigung scheuen. Schon während der Rehabilitation gehören Bewegungsübungen, Dehn- und Stretchübungen oder Unterwassergymnastik zum Pflichtprogramm. Es eignen sich alle Übungen, welche die Wirbelsäule stabilisieren sowie Körperhaltung und Koordination verbessern. Besonders günstig sind zunächst Ausdauersportarten, bei denen Rücken- und Bauchmuskulatur gleichmäßig beansprucht werden. Dazu zählen Nordic Walking sowie Skilanglauf oder als idealer Schwimmstil für Rumpf und Rücken das Kraulen.

Wann läuft es wieder?

Ein spezifisches Lauftraining kann aus meiner Sicht unter bestimmten Voraussetzungen wieder zügig aufgenommen werden. Man muss sich jedoch darüber im Klaren sein, dass die relevanten Muskelgruppen beim Laufen Kräfte aufnehmen, die dem Mehrfachen unseres Körpergewichts entsprechen. Es müssen zunächst die Voraussetzungen geschaffen werden, um das geschädigte Bandscheibensegment vor erneuten Überbelastungen zu schützen. Daher kann nach einem  gezielten Training zur Stabilisierung der vernachlässigten Bauch- und Rückenmuskulatur und einer Verbesserung der muskulären Koordination rasch wieder mit dem Lauftraining gestartet werden. Dies sollte vorzugsweise auf weichen, trockenen Untergründen, wie Waldboden, erfolgen.

Ergänzende Effekte

Ein weiterer positiver Nebeneffekt des Rumpf- und Kraftausdauertrainings ist eine regelhaft verbesserte Körperhaltung, welche erst einen ökonomisierten Laufstil ermöglicht. Zwei Effekte ergänzen sich somit: Prävention von Überbelastung  und Verbesserung der sportlichen Leistung. Grundsätzlich sollten Intensität und Umfang des Trainings selbst nach dem Erreichen einer Schmerzfreiheit nicht zu schnell gesteigert werden. Dann steht neuen Zielen nichts mehr im Weg.

Von Christian Laurenz